Narzissmus auf Instagram: Posing für das perfekte Bild
Die sozialen Medien haben unser Leben bereichert, sie sind unterhaltsam und können durchaus kommunikativ sein. Aber vor allem Instagram hat auch noch ein anderes, fragwürdiges Phänomen heraufbeschworen: Das Posieren. Vor Sehenswürdigkeiten und sogenannten Instagram Hotspots entsteht regelmäßig eine richtige Posing-Parade, die sich längst nicht mehr nur auf Blogger und Influencer beschränkt. Eine schlimme Entwicklung in Richtung Narzissmus oder nur halb so wild?
SIND WIR NICHT ALLE EIN BISSCHEN NARZISSTISCH?
In der griechischen Mythologie verliebte sich der schöne Narziss in sein Spiegelbild und ist seitdem Synonym für Selbstverliebtheit und Ichbezogenheit. Charaktereigenschaften, die sich bis zu einem gewissen Grad wahrscheinlich in jedem Menschen finden, aber besonders unattraktiv werden, wenn sie zum Exzess mutieren. Denn gesunde Selbstliebe und Selbstverliebtheit, die im Falle von Narzissten auch meistens mit Ignoranz und fehlender Empathie einhergeht, sind zwei verschiedene Paar Schuhe.
Während wir heutzutage unseren „digitalen Spiegel“ in Form des Smartphones immer dabeihaben, ist es logisch, dass diese Seite mehr nach außen sichtbar wird. Ob die sozialen Medien uns narzisstischer gemacht haben oder sie diese ohnehin angelegten Eigenschaften nur sichtbarerer machen, wage ich nicht zu beurteilen, aber ich habe vor allem auf meinen Reisen alarmierende Entdeckungen gemacht.
DER EIFFELTURM, TIFFANY’S ODER ENGELSFLÜGEL: DER INSTA-TOURISMUS BOOMT
Mit der Hand an die Spitze deuten, das Bein in die Luft strecken, perfekt geschminkt lächeln oder verträumt in die Ferne schauen: der Eiffelturm ist eines der beliebtesten Motive auf Instagram. Das Hashtag #eiffeltower hat ganze sechs Millionen Beiträge und viele davon zeigen keine Schnappschüsse, sondern perfekte Inszenierungen. Inzwischen hat sich sogar ein richtiger Instagram-Tourismus entwickelt.
Das heißt, es gibt Menschen, die Reiseziele nur danach auswählen, ob sie „instaworthy“ sind und die Reisebranche zieht bei dem Trend schon mit, zum Beispiel mit Führungen zu den Instagram Hotspots einer Stadt. Versteht mich nicht falsch: auch ich posiere für Fotos im gewissen Rahmen, suche ein schönes Motiv und lasse meinen „Instagram Husband“ mehrere Fotos machen, aber das Treiben am Eiffelturm und bei anderen Sehenswürdigkeiten ist schon teilweise grotesk. Während das für Influencer Teil ihrer Arbeit und diese definitiv nicht zu unterschätzen ist, eifern auch immer mehr Otto Normal User diesem Verhalten nach.
VERDUMMEN SOCIAL MEDIA UND UNSERE GELTUNGSSUCHT UNS?
Als ich das letzte Mal die jungen Mädchen (ja, als Instagram-Model muss man heute früh starten) und Frauen am Eiffelturm beobachtete, wusste ich nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Ist das jetzt die komplette Verdummung unserer Gesellschaft oder vielleicht doch nur halb so schlimm? Ein klarer Fall für Ersteres war ein Erlebnis, das ich beim Besuch des World Trade Centers in New York hatte. Ich stand mit meinem Mann am Fenster, um die spektakuläre Aussicht zu genießen, als sich direkt neben mich plötzlich eine Frau mittleren Alters stellte und begann wie wild zu posieren. Rücksicht auf mich – Fehlanzeige.
In ihrem Kosmos hat sich mich wahrscheinlich gar nicht wahrgenommen. Mein Mann und ich tauschten ein paar fragende Blicke aus, ich trat den Rückzug an und wir beobachteten das Spektakel dann aus der Ferne an. Hier war offenbar eine ganze Familie in der Insta-Mania gefangen, denn danach war die Teenie-Tochter an der Reihe, die ihre Mutter in Sachen lächerliches Posing noch übertraf. Festgehalten hat das alles der Vater. Mich überkam ein richtiger Ekel auf diese fremden Menschen und ich hatte den starken Drang nach einem Digital Detox. Ist es das, was Social Media aus uns macht? Posing-Roboter ohne Blick für ihr Umfeld und Manieren, immer auf der Jagd nach dem perfekten Bild?
MAN KANN SCHÖNE FOTOS MACHEN UND TROTZDEM DEN MOMENT GENIESSEN
Als Person, die selbst viel auf Social Media teilt, finde ich schon, dass es möglich ist, mit einer gewissen Medienkompetenz und Achtsamkeit in medialer Balance zu leben. Man kann durchaus sehr aktiv auf Instagram und facebook sein, ohne dabei den Zauber des Moments zu verlieren. Wie immer ist die Dosis entscheidend: kurz ein Foto oder eine Story zu machen, dauert nicht lange und schmälert für mich persönlich nicht das Erlebnis. Aber man braucht schon etwas Empathie und Taktgefühl, wann man das Smartphone einfach mal stecken lassen sollte.
Fragwürdig wird es für mich immer dann, wenn Unternehmungen dem perfekten Bild auf Instagram untergeordnet werden. Im Zweifelsfall helfen in Sachen richtiger Umgang mit Social Media etwas mehr Entspannung und eine Weisheit, die es schon lange vor Hashtags und Co. gab: sich selbst einfach nicht so ernst nehmen.
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Gerade beim Arbeiten sind Social Media oft ein Zeitfresser und Störfaktor. Wie du allgemein effektiver arbeiten kannst, zeigt dir die Pomodoro-Technik. Was uns an Instagram nervt: Fake-Accounts und Instagram Bots, die völlig sinnfrei kommentieren und uns mit Spam nerven. Was wir an Instagram lieben: Es ist unsere Go-to Quelle für modische Inspiration. Im Falle eines aktuell gehypten Kleides haben wir schon mal die günstigen Alternativen recherchiert.