Ästhetik-Kunde aus Japan: Wabi-Sabi
Japan ist die Wiege vielfältiger Kunst und Kultur – Traditionsreich und trendy. Die Kombination aus beidem findet sich in Wabi-Sabi. Das ästhetische Konzept ist dabei aber viel mehr als nur ein weiterer Interior-Trend, sondern eine ganzheitlich gelebte Idee und in der Geschichte des Landes tief verwurzelt. Minimalismus, Authentizität und Mut zum Makel sind nur einige der Schlüsselbegriffe dabei. Wir stellen euch das identitätsstiftende Konzept aus Japan vor!
WAS IST WABI-SABI?
Wabi-Sabi ist ein japanisches Konzept der Ästhetik, das eng mit dem Zen-Buddhismus verbunden ist und die Schönheit des Unvollkommenen in den Mittelpunkt stellt. Es bildet den Maßstab der japanischen Kunstbewertung. Der Begriff Wabi-Sabi wurde im 16. Jahrhundert von dem japanischen Tee-Meister und Zen-Mönch Sen no Rikyū eingeführt. Die Denkweise war aber bereits im 12. Jahrhundert und teilweise bis ins japanischen Altertum (7. bis 11. Jahrhundert) zu finden. „Wabi“ bedeutet so viel wie sich elend, einsam, verlassen und verloren fühlen. „Sabi“ steht für Alter, Vergänglichkeit, Patina, Reife. Wörtlich übersetzen kann man Wabi-Sabi nicht, aber es steht für das Reduzierte, Einfache und Imperfekte, dem man auch das Leben ansehen darf und soll.
Auch Authentizität ist ein wichtiger Aspekt im Wab-Sabi. Alles, was echt und einzigartig ist, wird besonders wertgeschätzt – losgelöst von vermeintlichen Schönheitsidealen. Statt Perfektion sind Macken und Fehler willkommen und Mängel werden als „verborgene Schönheit“ angesehen. Ähnlich wie beim dänischen Hygge geht damit ein bewusster Umgang mit den kleinen Dingen des Alltags einher – das zu respektieren und schätzen, was oft als selbstverständlich angesehen wird und zum Beispiel auch alten oder auf den ersten Blick kaputten Dingen noch eine Chance zu geben. Es geht um Geradlinigkeit, reduzierte Formen, Bescheidenheit, Ordnung sowie auf den Verzicht auf überflüssigen Ballast jeglicher Art.
Die fünf Prinzipien des Wabi-Sabi:
1. Besinne dich auf das Wesentliche
2. Genieße die optische Leere
3. Verzichte auf seelenlosen Konsum und materielle Überfrachtung
4. Verwende einfache und lokale Produkte – aus Naturmaterialien und von bester Qualität
5. Wertschätze dein Eigentum. Pflege es und vererbe es in Würde weiter
Beispiele, in denen sich Wabi-Sabi in Japan widerspiegelt:
• Japanische Gärten
• Bonsai Ikebana (Japanische Kunst des Blumensteckens)
• Japanische Teezeremonie
• Japanische Poesie, besonders Haiku
• Japanische Keramik Honkyoku (traditionelle Shakuhachi-Musik der wandernden Zenmönche)
WIE SIEHT WABI-SABI IN DER PRAXIS AUS?
Wabi-Sabi ist eben nicht nur ein weiterer Interior-Trend. Im Einklang mit den Grundprinzipien geht es auch beim Wohnraum darum, sich von unnötigem Ballast zu befreien und sich auf die wenigen, entscheidenden Dinge zu konzentrieren. Im Fokus stehen Funktionalität und Zurückhaltung, losgelöst von materiellem Wert. Bescheidenheit, Natürlichkeit, Nachhaltigkeit, Authentizität aber auch Qualität und Langlebigkeit sind dabei die Schlüsselworte. Naturmaterialen wie Baumwolle, Leinen oder Jute und von der Natur inspirierte, dezente Farben wie Weiß, Naturweiß und Grau bis hin zu gedeckten Erdtönen prägen die ruhige Optik. Mit dem Gedanken an das Verständnis von Wabi-Sabi haben auch Patina oder etwa Porzellan mit Sprüngen Platz im Wohnraum. Auf Knallfarben, Glitzer und Glanz wird hingegen verzichtet. Die Möbel sollen möglichst funktional und langlebig sein und mit den Bewohnern „mitaltern“. Stilistisch befindet sich Wabi-Sabi zwischen dem geradlinigen Skandi Chic, dem Minimalismus und dem Vintage Look. Besonders gut gefällt uns aber an dem Konzept der Bezug auf alle Bereiche des Lebens, der das Imperfekte feiert, Authentizität und Originalität statt Makellosigkeit hervorhebt und Respekt gegenüber der Natur und allgemeine Achtsamkeit zur Regel macht. Davon können wir uns doch alle eine Scheibe abschneiden!
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Minimalistische Designs aus Metall und geometrische Muster verleihen unseren vier Wänden den coolen, geradlinigen Look. Auch die Finnen wissen eine gute Lebensphilosophie zu schätzen: „Sisu“ steht für eine Lebenseinstellung, die angeblich typisch für die zähen Finnen ist. Die japanische Beauty-Marke Whamsia feiert „Hanakotoba“ – die Sprache der Blumen.