Body Positivity? Nein, danke! Body Neutrality nimmt den Druck
Mit dem Begriff Body Positivity ist es wie mit so manchem Phänomen: Im Ansatz gut und sinnvoll, doch wenn daraus Druck oder Zwang entsteht, läuft etwas schief. Denn wir müssen unseren Körper nicht lieben, stattdessen ist es auch völlig ok, ihm neutral gegenüber zu stehen. Das Schlagwort lautet Body Neutrality.
Du musst Dich bitte lieben, sonst bist Du nicht Body Positive!
Als Frau hat man es in der aktuellen Zeit nicht immer einfach. Ich habe manchmal das Gefühl, dass es nur zwei Extreme gibt: Entweder wir zerfleischen einander oder wir feiern hysterisch unsere Solidarität – die gleichzeitig oft nur als Hashtag und in der Theorie existiert. In dem Willen für mehr Toleranz, Freiheit und Akzeptanz zu sorgen, kam der Begriff Body Positivity auf. Ein positives Verhältnis zum Körper, egal, ob er den gängigen Schönheitsstandards entspricht. Das Akzeptieren und ja sogar Feiern von Fettpolstern, Dehnungsstreifen und anderen vermeintlichen „Makeln“ wurde gefordert. Und ja, das ist alles super und bitte immer mehr davon, wenn es authentisch ist. Aber je mehr der Begriff in den Medien präsent und strapaziert wurde, desto mehr schlich sich ein Subtext in die eigentlich positive Bewegung: „Du MUSST dich so schön finden, wie du bist!“.
Die Body Positivity-Bewegung ist gut, aber nur wen sie freiwillig ist
Aus der Freiwilligkeit wurde Pflicht, ein omnipräsenter Imperativ. Wenn man als Frau etwas über seine störenden Pfunde, Akne, dünnes Haar etc. sagte, bekam man gerade von Geschlechtsgenossinnen oft zu hören: „Ach komm, das sind Komplexe. Jeder ist schön und einzigartig!“. Aber wisst ihr was? Selbst wenn es Komplexe sind, sind es doch immer noch meine Komplexe und niemand kann erwarten, dass man diese einfach mal aus dem Gedächtnis löscht, weil das die inzwischen zum Popkultur-Phänomen verkommene Body Positivity so verlangt. Daran ändern auch zehn Ashley Graham Cover und Fotostrecken mit „ungeschminkten“ Stars nichts.
Während der Kern von Body Positivity natürlich durchaus zu begrüßen ist, lässt die Bewegung eines außer Acht: Meist sind es ja gerade Frauen mit wenig Selbstbewusstsein, die eine im Extremfall jahrelang kultivierte Rüstung der Unsicherheit tragen. Wie sollen gerade die es schaffen, ihre Makel plötzlich zu feiern, ja gar zu genießen und am besten noch mit dem passenden Hashtag dekoriert auf Instagram in Szene zu setzen?
Die Folge des Body Positivitiy-Trends waren daher auch unzählige Beiträge von Trittbrettfahrerinnen, die stolz ihre „Cellulite“ und weitere vermeintliche Makel auf Social Media präsentierten – aber bitte trotzdem gerade noch so ansprechend, dass man genug Likes kassiert und keine Follower verprellt. Natürlich ist es begrüßenswert, wenn jemand sich in dem Begriff wiederfindet und dadurch vielleicht neues Selbstbewusstsein oder Freiheit findet, aber ein positives Verhältnis zum eigenen Körper soll doch bitte nicht diktiert und zur gesellschaftlichen Pflicht werden.
Jeder hat das Recht auf eine eigene Ästhetik und Meinung zum eigenen Körper
Ein großes Problem der aufgezwängten Body Positivity ist ja auch, dass sie etwas schier Unmögliches versucht: Geschmack und subjektives Ästhetik-Empfinden zu vereinheitlichen. Dass die Werbeindustrie teilweise falsche Schönheitsideale vermittelt, ist nichts Neues. Aber hat man nicht trotzdem ein Recht darauf, schöne, schlanke Körper und Makellosigkeit zu genießen und attraktiv zu finden und das auch äußern zu dürfen? Muss man sich entschuldigen, wenn man Orangenhaut und Co. nicht schön findet, weder an sich noch an anderen? Ist man dann gleich unentspannt und „Teil des Problems“?
Die US-Amerikanerin Melissa Fabello hat den Begriff „Body Neutrality“ entwickelt. Er propagiert eben keine Selbstliebe als Verpflichtung, sondern sagt, dass es auch ok ist, seinem Körper neutral gegenüberzustehen: Da ist keine Liebe, aber eben auch kein Hass. Man macht Sport um seiner selbst Willen und nicht, um sich zu optimieren, beim Sex schämt man sich weder für sein Fett noch feiert man es übermäßig. Der Schlüssel ist, dass einige ihren Körper vielleicht auch einfach nicht zum Thema machen möchten – weder positiv noch negativ, um damit anderen Dingen Raum zu geben. Und am besten wäre es meiner Meinung nach sowieso, unsere Einstellung zum Körper unter gar keinem Label zusammenzufassen. Das wäre doch mal echte Freiheit!
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Titelbild: ©Delmaine Donson on iStock