Morning Pages: Meditatives Schreiben am Morgen
Gehetzt, im Dauerstress und unausgeglichen: Viele von uns leiden unter gefühlt permanentem Zeitmangel und zu wenig ruhigen Momenten für sich und die eigenen Gedanken. Autorin Julia Cameron hat mit den sogenannten „Morning Pages“ eine Methode des kreativen Schreibens entwickelt, die zwar ursprünglich vor allem für Künstler gedacht war, aber jedem helfen kann, mit Klarheit in den Tag zu starten. Im Selbsttest hatten wir dennoch Anlaufschwierigkeiten.
Was sind die Morning Pages?
In ihrem Buch „The artist’s way“ (Deutsch: „Der Weg des Künstlers“) hat die US-amerikanische Autorin Julia Cameron bereits 1992 eine Methode beschrieben, die vor allem Künstlern helfen soll. Diese werden oft besonders stark von Selbstzweifeln und Unsicherheiten geplagt. Als Künstler kann dabei aber jeder verstanden werden, der kreativ ist und das sind wir bis zu einem gewissen Grad im Leben alle – manche durch ihren Beruf natürlich in besonderem Maße.
Die Aufgabe bei den Morning Pages ist in der Theorie simpel: Jeden Morgen nach dem Aufstehen schreibt man ca. drei Seiten, wobei der Inhalt nicht von Bedeutung ist. Im Gegenteil, das eigentlich Schwierige und zugleich Befreiende an der Aufgabe ist, dass man dabei an nichts denken soll und das Geschriebene frei von jeder Wertung und nur für einen selbst ist. Egal ob Erlebnisse, Träume oder unstrukturierte Gedanken – Hauptsache man füllt die leeren Seiten und zwar am besten handschriftlich. Ziele der Morning Pages sind Entspannung, mehr Achtsamkeit und eine Art „kreativer Reset“, um sortiert und befreit in den Tag zu starten.
Morning Pages im Selbsttest
Zugegeben, als ich da so sitze vor den leeren Blättern und die Morning Pages testen will, hat das zunächst überhaupt nichts Entspannendes. Als jemand, der im Alltag durch Angestellten-Job und Selbstständigkeit sehr gefordert und quasi dauernd online ist, haben dieses Blatt Papier und die Ruhe am Morgen zunächst etwas Einschüchterndes und ich empfinde Druck: „Was, wenn mir nichts einfällt?“ Doch mir fällt sehr viel ein, vor allem berufliche To-Do-Listen, die sich vor meinem inneren Auge abspielen. Ich schreibe also alles auf, denn das ist ja die Vorgabe: Keine Reglementierung. Die erste Seite ist schnell voll und irgendwann drängen sich tatsächlich Wortfetzen und Gedanken in den Kopf und schließlich auf das Papier, die nicht zusammenhängen.
Als ich nach etwa 20 Minuten fertig bin, schaue ich mir das Ergebnis an und werde daraus nicht wirklich schlau. Obwohl das alles aus meinem Kopf kam, ergibt es keinen größeren Sinn. Aber das muss es ja auch gar nicht. Stattdessen merke ich in der Tat, dass ich mich ein wenig befreit fühle. Fast so, als hätte ich ein Regal in meinem Kopf freigeräumt (oder zumindest ein Fach) und nun wieder Platz für neuen Input. Ich kann noch nicht sagen, ob ich die Morning Pages zu einem Ritual mache, aber ich werde das Experiment auf jeden Fall noch eine gewisse Zeit fortsetzen.
Titelbild: ©iStockphoto | Nattakorn Maneerat
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